Cornelia Stegmaier*
Restauratorin

Stuttgarter Stadtanzeiger, 19.07.2005

Geschichte wiederbeleben
Göppingen (ar). Das hiesige Schloss hat bereits eine bewegte Geschichte hinter sich: Was zunächst als herrschaftliche Herberge während der Kuraufenthalte von Herzog Christoph von Württemberg gebaut worden war, diente später als »Witwensitz«, bis es schließlich als Ämtergebäude genutzt wurde. Seit dem Jahre 2002 ist die Restauratorin Cornelia Stegmaier an den Wandmalereien der Innenräume tätig.
Doch im Gegensatz zu der Wiederherstellungsphilosophie von noch vor 30 Jahren sei ein »Nachmalen um jeden Preis« nicht mehr das Ziel. Vielmehr gehe es nach der heutigen Berufsauffassung um die Erforschung und daraus abgeleitet den authentischen Erhalt des historischen Erbes. Mit Geschichten und Anekdoten gewürzt beginnt Stegmaier dann eine Führung durch das alte Schloss, bei der sie die Umsetzung der modernen Restaurierungsmethoden an praktischen Beispielen verdeutlicht.


Restaurierungen im Schloss: Künstlerische und architektonische Details erzählen Geschichten

Was macht die Wildsau im Rebstock?

Der Komplex, in dem heute das Amtsgericht untergebracht ist, weist noch immer die Spuren ihrer früheren Bewohner auf. Dass diese auf weiterhin erhalten bleiben, dafür sorgen entsprechende Fachleute.

Von Adriana Rossi, Juli 2005

Göppingen. Wenn Gebäude sprechen könnten, was hätten sie nicht alles zu erzählen... Schon beim Rundumblick im Schlosshof weist die Restauratorin Cornelia Stegmaier auf die zahlreichen architektonischen Details hin, die noch heute in direktem Bezug zum einstigen Herren, Herzog Christoph von Württemberg stehen. In der Mitte des 16. Jahrhunderts kam er regelmäßig zur Kur nach Göppingen. »Es wird erzählt, dass er am französischen Hof eine Vergiftung erlitten hatte. Eine Heilung davon erfuhr er nach dem Genuss des Göppinger Sauerwassers. Aus Dankbarkeit ließ er hernach zwischen 1556 und 1568 das Schloss erbauen.« Ursprünglich hatte sich an der Stelle eine Burg befunden, deren Grundriss der Herzog für seine ehrgeizigen Pläne nutzen wollte. Doch so, wie er sich die Sache vorgestellt hatte, funktionierte es wohl doch nicht, wie ihm sein Architekt und Baumeister Aberlin Tretsch wissen ließ, dem die Stuttgarter auch ihr Schloss zu verdanken haben. »Also wurde ein komplett neuer Komplex nach den damaligen Idealen errichtet«, erklärt Stegmaier. Das hieß: eine regelmäßige Vierflügelanlage mit einer relativ schmucklosen Fassade. Kurz gesagt: Mit einem eindeutigen Einfluss aus der italienischen Renaissance, also alles andere als gotisch. Dann gibt es noch die drei Türme, die jeweils eine Wendeltreppe beherbergen. »Die mittlere ist die ›Silbertreppe‹: Das war der Dienstbotenzugang, in dem das Tafelsilber nach oben getragen wurde – daher der Name.« Der Turm ganz links hingegen – mit dem Wappen über der Tür –, war des Herzogs eigener Aufgang, die so genannte »Rebenstiege«. Wer diese Treppen benutzt, darf sich wahrhaft herrschaftlich vorkommen, denn er wird – vorausgesetzt, er richtet beim Aufstieg die Augen stets nach oben – genauso durch die Kunst des Bildhauers Hans Neu unterhalten, wie einst Christoph von Württemberg: Vom Erdgeschoss ausgehend ziert ein in Stein gemeißelter Rebstock mit Blättern und Trauben die gesamte Wendeltreppe bis nach oben. Und wer genau hinschaut, entdeckt nach und nach noch insgesamt 13 verschiedene Tiere in diesem Dickicht: Hier ein Eichhörnchen, dort eine Eule, eine Drossel. Diese Arten könnte man sich ja tatsächlich noch in einem Weinstock vorstellen. Aber hier wurde sogar eine Meerkatze verewigt »Das ist ein Zeichen dafür, dass damals sehr gut registriert wurde, was auch außerhalb Deutschlands, ja sogar des europäischen Kontinents geschah; denn Affen gehören nun mal nicht zu unserer heimischen Fauna«, erklärt die Restauratorin. Und der Bär? »War sicherlich ein Scherz des Bildhauers.« Und was macht das Schwein zwischen den Trauben? »Hierzu gibt es eine Anekdote...«: Der Herzog muss wohl zu Neu im Dialekt gesagt haben, er solle ihm ja die Sache nicht »versauen«. Das ärgerte den Meister derart, dass er dem Herzog »zur Strafe« dann die Wildsau in das Relief meißelte. Als weiteren Gag setzte Neu dann übrigens noch sein Konterfei zwischen die Weinblätter.

»Ursprünglich waren all diese Farben viel klarer: Ockergelb für die Trauben, ein dunkles Grün für die Blätter. Doch diese Farbigkeit ging im Rahmen der großen Restaurierung um 1970 verloren.« Ebenso weisen die anderen Zierden etwa um die Türen oder an den Wänden die Restaurierungsphilosophie von vor 30 Jahren auf: »Heute würde man beispielsweise spärlich vorhandene Wandmalereien nicht derart ›nachmalen‹ wie damals.« Und Stegmaier verweist auf weitere Details, welche die unterschiedlichen Auffassungen von »Restaurierung« verdeutlichen... eine interessante und kurzweilige Führung, selbst für Laien.

(ca. 4.790 Anschläge)


*Die selbstständige Restauratorin hat ihren Schwerpunkt auf der Restaurierung von Wandmalereien (Fresco- und Seccomalereien), der Konservierung von Putz und Stuck mit Fassung sowie der Untersuchung und Konzepterstellung von Architekturoberfläche.
Nach der Ausbildung in Bamberg erfolgte 1988 der Sprung in die Selbstständigkeit durch die mehrjährige Arbeit in der Wieskirche, einer der bedeutendsten Kirchen des Rokoko.
Nach der Wende wurden als Erweiterung zum Schwerpunkt Süddeutschland Arbeiten in Schloß Friedenstein in Gotha, im Stadtschloß Weimar und in einem barocken Bürgerhaus in Dresden ausgeführt.
Parallel dazu erfolgten Restaurierungen in der Eremitage Bayreuth, im Völkerkundemuseum München, in der Klosterkirche Ebrach, sowie der Alten Hofhaltung Bamberg.
Das ganzheitliche Konzept „Voruntersuchung-Konzept-Fachbauleitung“ wurde erstmals 1999 in der Wallfahrtskirche Bergen bei Neuburg/Donau in Zusammenarbeit mit dem Diözesanbauamt Eichstätt (www.dioezesanbauamt.de) unter Baudirektor Frey umgesetzt.
Seit 2002 werden im Göppinger Schloß Untersuchungs- und Restaurierungsarbeiten durchgeführt.
Ein bedeutende Wandmalerei eines privaten Bauherrren wurde 2004/05 in Schwäbisch Hall-Untermünkheim, im so genannten Senftenschlössle (www.senftenschloessle.de) restauriert.
Die Restaurierung der evangelischen St Wendelinskirche in Schorndorf-Haubersbronn, der Kath. Kirche Wäschenbeuren sowie der Stuckdecken in Schloß Ellwangen (www.schloesser-magazin.de) wären als aktuelle Maßnahmen zu nennen.

Die Ausführung der Arbeiten erfolgt in Absprache mit den Auftraggebern, das heiß in der Regel den staatlichen oder städtischen Hochbauämtern, den Kirchen oder auch privaten Bauherrren und der Fachbehörde für Denkmalpflege.
Damit die im Zuge einer Restaurierung erfolgten Erkenntnisse nicht in der Schublade verschwinden, bietet Cornelia Stegmaier Führungen zur Erläuterung der Restaurierung an, wie zum Beispiel am Tag des offenen Denkmals im Göppinger Schloß oder die kleine Kapellenwanderung im Rahmen des „Sommers der Verführungen“ 2006. Für weitere Auskünfte: www.landkreis.goeppingen.de.


 

Die "Rache" des Bildhauers Hans Neu.
Foto: Adriana Rossi

Architekturoberfläche Restaurierung
Cornelia Stegmaier
Büro und Werkstatt
Lindenbronn 12
73116 Wäschenbeuren
Tel.: 07172/7746
Fax: 07172/7746
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Internet: www.cstegmaier.de